Energie aus Photovoltaikanlagen wird zum Spielball der europäischen Spotmärkte für Elektrizität
Die Vergütung für Energie aus Photovoltaikanlagen wird zum Spielball der europäischen Spotmärkte für Elektrizität – VESE fordert ein neues Modell zur Vergütung des eingespeisten Solarstroms, welches den Anforderungen des Pariser Klimaabkommens besser gerecht wird und für mehr Versorgungssicherheit sorgt.
Bis zu 50% höhere Vergütung für Photovoltaikstrom bei gewissen Netzbetreibern als noch vor einem Jahr, und eine nie dagewesene durchschnittliche Erhöhung um 7%, von 9.4 Rp/kWh auf 10.1 Rp/kWh. Dies zeigen die ersten Eckwerte 2022 von VESE, dem Verband der Solaranlagenbetreibenden. Das sollte die Besitzerinnen und Besitzer von Photovoltaikanlagen eigentlich zum Jubeln veranlassen. Aber es stimmt den VESE nachdenklich: wie sollen in der Schweiz in den nächsten Jahren bis zu 50 GW an PV-Anlagen errichtet, betrieben und solide finanziert werden, solange die Erträge dieser Anlagen ein Spielball der europäischen Strom- und Gaspreise bleiben, wie es mit dem heutigen Energiegesetz der Fall ist?
VESE ist der dezidierten Ansicht, dass dies auf die Dauer nicht funktionieren kann. Der Verband legt deshalb hinsichtlich der Beratungen des Mantelerlasses einen neuen Vorschlag vor: Alle Schweizer Strombezügerinnen und -bezüger sollen anteilsmässig mit im Inland erzeugten Solarstrom beliefert werden. Dieser Strom wird zu langfristig konstanten Preisen von 8 bis 10 Rp/kWh erzeugt, eingespeist und in diesem Rahmen auch zentral vergütet. Dies ist heute praktisch ohne Kostensteigerung für den Stromkonsum möglich und schützt zudem vor zukünftigen Kostensteigerungen. Umgekehrt erlaubt dieses Modell, die nötigen grossen Investitionen in Solaranlagen im Inland ohne unverhältnismässiges Risiko zu tätigen. Damit wird sowohl direkt die Versorgungssicherheit gestärkt als auch das Erreichen der Klimaziele entschieden beschleunigt.
Seit 2015 erhebt VESE jährlich die Abnahmevergütungen der Netzbetreiber für eingespeiste Energie aus PV-Anlagen und publiziert diese auf der Webseite pvtarif.ch.
Aus den bereits erhobenen Daten der 30 grössten Netzbetreiber kann per Ende Januar eine erste Bilanz für 2022 gezogen werden: im Unterschied zu allen Vorjahren sind ihre Vergütungen angestiegen, im Durchschnitt um ganze 7%. Bei den vier der grossen Netzbetreibern (CKW, BKW, AEK, EW Nidwalden), welche ihre Vergütung direkt an den Spotmarktpreis koppeln, sind die Ausschläge nach oben um einiges höher. Sie betragen bis zu +50% im Vergleich zur Situation vor einem Jahr.
Der starke Ausschlag nach oben ist eine direkte Konsequenz des heutigen Energiegesetzes, welches die Netzbetreiber dazu verpflichtet, eingespeisten Strom abzunehmen und zu vergüten. Dabei müssen nach dem Gesetz mindestens die vermiedenen Kosten vergütet werden. Die direkte Koppelung der Abnahmevergütung an den Spotmarktpreis, wie sie von CKW, BKW, AEK und EW Nidwalden praktiziert wird, entspricht allerdings nicht den Vorgaben der Energieverordnung. Weiter sind die vermiedenen Kosten – je nach der vom jeweiligen Netzbetreiber am Strommarkt gefahrenen Handelsstrategie – völlig unterschiedlich, und führen systematisch zu grossen Ausschlägen. Durch diese Kopplung fielen gewisse Vergütungen während der ersten Coronawelle im Sommer 2020 in den Keller, und schiessen im Moment, in der Folge der Ukrainekrise und der damit verbundenen Hausse am europäischen Strommarkt, in bisher unbekannte Höhen.
Diese systematischen Ausschläge bei der Entschädigung von Photovoltaikstrom zeigen, dass das heutige Schweizer Photovoltaikvergütungsmodell falsch aufgesetzt ist. Eine Photovoltaikanlage produziert mit grosser Konstanz und Zuverlässigkeit, abhängig einzig vom kurzfristigen Wetterverlauf, aber sehr gut voraussagbar im Jahresverlauf, über 30 Jahre inländische erneuerbare Elektrizität. Wie bereits mehrfach aufgezeigt, ist die Photovoltaik zusammen mit der regelbaren Wasserkraft eine perfekt planbare und sichere einheimische Energiequelle.
Die einzig strittige Frage, welcher zurzeit noch alle Politiker ausweichen, ist, wer die Kosten und Risiken der Investitionen in die neuen PV-Anlagen tragen soll. Im heutigen Modell tragen die Inverstoren das Risiko alleine, denn ihre Vergütung ist direkt den Schwankungen der europäischen Spotmarktpreise ausgesetzt. Dies ist nicht zielführend. Weil niemand die Entwicklung der Strompreise voraussehen kann, halten sich interessierte Investoren mehrheitlich zurück, beziehungsweise investieren in Photovoltaikanlagen im Ausland. Besonders stossend am heutigen Modell ist, dass die Investoren, welche es heute trotzdem wagen, in Schweizer PV-Anlagen zu investieren, keine angemessene Investitionssicherheit erhalten. Nur dank ihrer hohen Risikobereitschaft holen sie für die Schweiz die heissen Kohlen der Versorgungssicherheit und der Klimapolitik aus dem Feuer.
Bereits im vergangenen Dezember hat VESE deshalb ein neues Modell vorgestellt, welches den Investitionen in die Photovoltaik eine angemessene langfristige Vergütung gewährt. Dieses Modell wird der Rolle der Photovoltaik als unabdingbaren Pfeiler der einheimischen Klimapolitik und Versorgungssicherheit gerecht. Eine solche Vergütung soll den effektiven Gestehungskosten der heutigen, grösseren PV-Anlagen in der Schweiz entsprechen, welche im Bereich von 8 bis 10 Rp/kWh (nach KLEIV/GREIV) betragen. Diese Energie soll aber nicht von jeweiligen Netzbetreiber übernommen werden, sondern von einer nationalen Bilanzgruppe, welche dann diese Energie pro Rata anteilsmässig an alle Schweizer Netzbetreiber verteilt. Dies ist heute bereits der Fall mit dem bei jedem Verbraucher ausgewiesenen Anteil an «geförderten Energien». Da die Preise heute – im Gegensatz zu den KEV Zeiten – völlig im Bereich der allgemeinen Strompreise liegen, entsteht damit für die Endverbraucherinnen und -verbraucher keine Kostensteigerung. Im Gegenteil, ein wachsender Anteil dieses «nationalen PV-Stroms» würde dazu beitragen, einerseits die Preise zu stabilisieren und andererseits die Versorgungssicherheit erhöhen.
Die Politik in Bern ist nun gefordert, das VESE Modell zu analysieren, allenfalls zu verbessern und seine Umsetzung in die Wege zu leiten. Gerade jetzt ist der geeignete Zeitpunkt zum Handeln, denn die Hausse an den Strommärkten und die stark thematisierte Frage der Versorgungssicherheit erhöhen die Bereitschaft zu diesem schon lange fälligen Schritt.
Medienmitteilung vom 2.12.2021 «Vereinfachte Vergütung von Solarstrom», https://www.vese.ch/wp-content/uploads/Medienmitteilung_zentraleVerguetung_Solarstrom.pdf
Über VESE
VESE setzt sich seit Jahren ein für eine «Schweiz hundert Prozent erneuerbar» mit einer breit abgestützten Energiewende. Mitglieder von VESE sind Solargenossenschaften sowie private und institutionelle Betreiber von Anlagen für erneuerbare Energieproduktion, vor allem Solaranlagen. Organisiert ist VESE als Fachgruppe der Schweizerischen Vereinigung für Sonnenenergie SSES.
Über pvtarif.ch
Der Verband unabhängiger Energieerzeuger VESE erhebt jedes Jahr die Vergütungen der Verteilnetzbetreiber für eingespeiste Energie aus PV-Anlagen und publiziert diese auf der Webseite www.pvtarif.ch. Dieses von VESE initiierte und von EnergieSchweiz unterstützte Projekt hat zum Ziel, für Transparenz bei den Rückliefertarifen in der Schweiz zu sorgen.