Investitionssicherheit für PV-Anlagen

Kurz zusammengefasst

In den letzten Jahren wurden praktisch nur Anlagen mit Eigenverbrauch realisiert, vielfach wurden und werden Dächer auch nur «teilbelegt» und damit deren Potential nicht voll ausgeschöpft.
Und dies, obwohl der Strom aus grossen Anlagen deutlich preisgünstiger ist als aus kleinen Anlagen – man rechnet mit Stromgestehungskosten (ohne Kapitalverzinsung und Marge) von ca. 8-10 Rp/kWh für Anlagen grösser 100 kWp, bis ca. 14-18 Rp/kWh für Anlagen kleiner 10 kWp.
Doch grosse Anlagen ohne Eigenverbrauch werden nicht gebaut. Denn die zeitliche Entwicklung des Strompreises lässt sich nicht vorhersagen. Da PV-Anlagen normalerweise über 20 Jahre amortisiert werden, kann das Investitionsrisiko so nicht abgeschätzt werden.
Das Problem des Investitionsrisikos ist auch in anderen Branchen aktuell – hierzu wurden verschiedene Instrumente entwickelt, u.a. die Schweizerische Exportrisikoversicherung SERV.
Und auch das Parlament und der Bundesrat haben das Problem erkannt: so wird in der Verordnung zum (abgelehnten) CO2-Gesetz explizit vom Investitionsrisiko bei EnergieContracting sowie Nahwärmenetzen gesprochen und Instrumente vorgeschlagen, dieses Risiko abzufedern.

Will die Schweiz auf eine 100% einheimische und erneuerbare Energieversorgung setzen, so benötigt es dazu ca. 50 Gigawatt (GW) installierte PV-Leistung. Ende 2020 waren ca. 3 GW installiert. Wird im bisherigen Tempo PV zugebaut, so würden wir dafür über 100 Jahre benötigen. Eine Verfünffachung des Ausbaus tut also not. Doch dies funktioniert nur, wenn auch grosse (Produktions-)Anlagen gebaut werden.

Im folgenden listet VESE deshalb mehrere Möglichkeiten auf, wie das Investitionsrisiko in neue Anlagen beherrscht werden kann:
(a) Fix- und Flex-Modell,
(b) zentrale Vergütung Solarstrom,
(c) ein einheitlicher, langfristig stabiler und minimaler Rückliefertarif,
(d) Transport- und Ökobilanz-Kostenwahrheit,
(e) Schweizerische Solarrisikoversicherung SRRV.


Fix- und Flexmodell

Was sich im Schweizer Hypothekenmarkt mit festen und variablen Hypotheken seit Jahrzehnten bewährt hat, kann auch auf die Strompreise übertragen werden. Anlagenbetreibende hätten für neue PV-Anlagen zwei Möglichkeiten zur Wahl:

  • Fix-Modell: Analog zu einer Festhypothek liegt die Abnahmevergütung bei einem fixen Tarif (z.B. 8 Rp/kWh) über 20 Jahre garantiert. Die Anlage wäre „investitionssicher“.
  • Flex-Modell: Analog zur variablen Hypothek entscheiden sich die Betreiber einer Anlage für den freien Markt. Der Strom würde dann zum aktuellen Marktpreis vergütet werden – mit allen Marktchancen und -risiken.

Beim Fix-Modell wird der Preis über die Endverbraucher finanziert. Diese haben im Gegenzug im Falle steigender Marktpreise die Sicherheit, dass ihr Solaranteil in ihrem Strom im Preis stabil bleibt. VESE hat dies durchgerechnet, es ergäben sich – langfristig und volkswirtschaftlich – für beide Seiten nur Vorteile. (siehe auch: www.vese.ch/minrl)

Im Flex-Modell wird der Strom zum aktuellen Marktpreis vergütet. Je nach Strompreisentwicklung kann dies zu grossen Verlusten oder auch Gewinnen des Betreibers führen.


Zentrale Vergütung Solarstrom

Die Grundlage für das Modell «Zentrale Vergütung Solarstrom» ist die zentrale, langfristig stabile Vergütung von Strom aus erneuerbaren Energien, insbesondere von Solarstrom. Die Vergütung könnte via HKN-System und etablierten Abrechnungsmodellen bei den VNB mit minimalem Aufwand für Endverbraucher kostenneutral umgesetzt werden. Die Anlagebetreibenden sollen die Wahl haben zwischen dem bisherigen Modell und der zentralen Vergütung. Dass das Modell je nach Entwicklung der Strompreise in den nächsten 20 Jahren sogar kostengünstiger für Endverbraucher sein wird, zeigt unser Rechenmodell. Dieses Modell wird hier näher erläutert >>


Einheitlicher, langfristig stabiler, minimaler Rückliefertarif

Durch das jährliche Festlegen eines minimalen Rückliefertarifs, welcher jeweils über 20 Jahre ab Inbetriebnahmedatum gilt, kann die Investitionssicherheit sichergestellt werden. Für 2021 wäre z.B. ein minimaler Rückliefertarif für alle Anlagen von 8 Rp/kWh realistisch.

Finanzierung

  • Die Endkundenpreise für Energie bewegen sich heutzutage schon um 8 Rp/kWh. Es ist unwahrscheinlich, dass diese in Zukunft sinken werden. Auch bei einem Solaranteil im zweistelligen Bereich im Strommix wäre es immer noch eine Mischrechnung. Zusammen mit den (noch etwas günstigeren) Wind- und Wassergestehungskosten wären bei einem Endkunden-Energiepreis von z.B. 7 Rp/kWh immer noch genug Spielraum für eine Marge vorhanden.
  • Wie auch pvtarif.ch zeigt, bewegen sich die Rückliefertarife grösstenteils schon auf diesem Niveau – das grosse Problem hier ist die langfristige Stabilität
  • Diese langfristige Stabilität könnte dadurch erreicht werden, dass alle Stromversorger (im gebundenen und freien Markt) verpflichtet werden, prozentual zum Lieferumfang den Schweizer Solarstrom zu dem minimalen Rückliefertarif einzumischen

Vorteile

  • es würden keine weiteren Förderungen für die Photovoltaik mehr benötigt, der Zubau würde von alleine laufen
  • Bürger, Bürgerinnen sowie Solargenossenschaften würden auch ohne teure Informations- und Werbekampagnen Solaranlagen bauen
  • Durch jährliche, geschickte Gestaltung des minimalen Rückliefertarifs und dessen langfristige Vorabkommunikation könnte der Zubau langfristig gesteuert werden – dies hätte u.a. den grossen Vorteil, dass Betrieber, anders als jetzt, nicht mehr «wellenartig» bauen müssten, sondern einen kontinuierlichen, langfristig planbaren, Auftragsbestand hätten. Dies würde automatisch auch Ausbildungskapazitäten schaffen, um den so dringend benötigten «PV-Nachwuchs» entsprechend auszubilden.
  • Strompreisabsicherung: Stromversorgungsunternehmen hätten einen planbaren Einkaufspreis, ähnlich einem PPA – sollten die Marktpreise steigen, so wären die Einkaufspreise immer noch stabil und «unter dem Marktpreis» – in der Folge bedeutet dies auch für die versorgten Endkundinnen und Endkunden – zumindest für den Solaranteil – stabile Strompreise.

Kritikpunkte

  • sollten die Spotmarktpreise an der Strombörse z.B. im Sommer mittags gegen 0 Rp gehen, so sehen die 8 Rp/kWh nach viel Geld und teurem Strom aus.

Entkräftigung:

  • Es ist nicht gesagt, dass dies auch in Zukunft so sein muss (Abschaltung der Bandlastkraftwerke, auch im Ausland, in absehbaren und bekannten Zeiträumen)
  • Es unwahrscheinlich, dass die Endkundenpreisbildung wirklich diesen Spotmarktpreis nachbilden wird. Denn erfahrungsgemäss kommen Preissenkungen auf Produktionsseite nur selten vollumfänglich bei den Endkunden an.

Transport- und Kostenbilanz-Kostenwahrheit

In der Schweiz muss 100% des Stromes, welcher verkauft wird, einen Herkunftsnachweis (HKN), welcher seine Produktionsart ausweist, haben. Durch Aufwertung des HKNs um eine Transport- und Ökobilanzkomponente könnte die Stromwertigkeit genauer abgebildet und damit die bisher externen Kosten von fossilem und Atomstrom abgebildet werden. Durch die dann gegebenen “gleichlangen Spiesse” wären die neuen erneuerbaren Energien preislich attraktiver als z.B. der Kohlestrom.
Zwei Beispiele:

  • Kohlestrom aus Deutschland: dieser durchläuft alle Netzebenen (z.B. 2 Rp «Gebühr») und hat viele Umweltbelastungspunkte (z.B. 3 Rp «Gebühr») – zusammen 5 Rp/kWh Mehrkosten für diesen Kohlestrom, diese Mehrkosten würden dem HKN zugeschlagen werden.
  • lokaler Solarstrom: dieser durchläuft nur die Netzebene 7 (keine Gebühr) und hat eine geringe Umweltbelastung (z.B. 1 Rp «Gebühr») – der lokale Solarstrom hätte also einen HKN-Vorteil von 4 Rp/kWh.

Finanzierung

Dieses Modell basiert auf der Internalisierung der externen Kosten. Dies erfolgt durch eine Belastung der HKNs, entweder direkt an der Produktionsanlage oder beim Import und der anschliessenden Rückverteilung über die Netzgebühren (analog der früheren Mehrkostenfinanzierung, nur auf umgekehrtem Wege)

Vorteile

  • die externen Kosten, welche jede Stromproduktion verursacht, wären internalisiert. Die verschiedenen Erzeugungstechnologien hätten durch die internalisierten Kosten «gleichlange Spiesse», dies würde die freie Vermarktung von Strom deutlich gerechter machen.

Kritikpunkte

  • Das Investitionsrisiko für reine Solarproduktionsanlagen wäre immer noch vorhanden, allerdings vermindert.

Schweizerische Solarrisikoversicherung SSRV

Bei diesem Ansatz würde das Investitionsrisiko über eine Laufzeit von z.B. 20 Jahren abgesichert werden. Hierzu würde mit Inbetriebnahme ein Referenz-Rückliefertarif von z.B. 8 Rp/kWh festgelegt werden. Während der Laufzeit der Versicherung würden die real vergüteten Rückliefertarife aufsummiert und am Ende der Laufzeit betrachtet: wäre hier der im Durchschnitt erreichte Rückliefertarif kleiner als 8 Rp, so würde die Differenz durch die Versicherung gedeckt. Bei einem mittleren Tarif über 8 Rp gäbe es keinen Ausgleich, der dann erzielte Gewinn würde dem Anlagenbetreiber zufliessen.

Finanzierung

Die Energiewende ist ein Generationenprojekt. Insofern wäre eine Finanzierung dieser Versicherung durch die öffentliche Hand vertretbar.

Vorteile

  • Ähnliche Modelle existieren schon für die SERV (Schweizerische Exportrisikoversicherung), man könnte deren Methoden und Erfahrungen übernehmen
  • die öffentliche Hand könnte die Finanzierung weitgehend durch Vorgaben steuern – so könnten z.B. minimale Rückliefertarife festgelegt werden, dies hätte direkten Einfluss auf die maximal zu erwartenden Versicherungsrisiken
  • die Marktwirtschaft und das Unternehmertum würden gestärkt werden, da die Versicherung nur greift, wenn die Produktionsanlage auch wirklich Strom produziert und gewartet wird

Kritikpunkte

  • Investoren in Produktionsanlagen sind während der Laufzeit dem vollen Marktrisiko ausgeliefert, die Absicherung erfolgt erst mit dem Ende der Laufzeit